
Draußen vor der großen Stadt

… stehen die Ponys sich die Füße platt, vor allem dieses Pony.
In der Tat hat Vera ausgeprägte Platthufe, was auch auf ihr zu hohes Gewicht zurückzuführen ist. Daher fahre ich wann immer möglich raus, um sie zu bewegen.
Sie ist 15 Jahre alt und seit über fünf Jahren bei uns. Trotzdem fühlt es sich oft so an, als hätte ich es mit einem Jungpferd zu tun, unberechenbar und hypersensibel, mit dem ich noch einen langen Weg vor mir habe. Ich denke, sie wurde in ihrer Jugend traumatisiert und ist daher noch immer „auf der Flucht“, sobald jemand im Sattel sitzt. Vera ist kein „einfaches“ Reitpferd, für Kinder oder Anfänger ist sie denkbar ungeeignet, mit Druck kann sie überhaupt nicht umgehen, braucht aber Führung. Wenn sie entspannt ist, hat sie sehr schöne Gänge, vor allem einen federleichten Galopp und den schnellsten Trab, den man sich bei einem Isländer vorstellen kann. Die größte Baustelle ist der Tölt: Inzwischen auf dem Platz gut abrufbar und stellenweise in akzeptabler Haltung, aber im Gelände quasi nicht vorhanden. Warum ich ausgerechnet diese Pferd vor vier Jahren gekauft habe, ist mir immer noch nicht ganz klar. Eigentlich suchte ich keine riesige Herausforderung, sondern einfach nur ein nettes Pferd für mich zum Reiten, nachdem meine Kinder meine ältere Stute dauernd mit Beschlag belegten. Als ich Vera kennen lernte, dachte ich: Um Gotteswillen, wie stressig, das tu ich mir auf keinen Fall an … doch es kam anders. Es heißt ja, man bekommt das Pferd, das zu einem passt, und in gewisser Weise betrachte ich sie tatsächlich als mein Schicksal oder meine Aufgabe, das klingt weniger theatralisch.
Aber damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: mir macht es Spaß, sie zu reiten. Ich bin gezwungen, ganz gegenwärtig und entspannt im Hier und Jetzt zu sein, das ist wie eine Meditationsübung, und da sie auf jede Einwirkung reagiert, bekomme ich stets eine Rückmeldung zu meiner körperlichen und geistigen Verfassung. Ich habe viel gelernt mit ihr, auch über mich. Da ich nicht mit ihr zurechtkam, musste ich mir viel Hilfe holen und mich mit Dingen beschäftigen, die ich vorher vernachlässigt habe, einfach weil ich sie nicht „brauchte“: Bodenarbeit, Longieren, theoretisches Wissen. Ich bin meiner Lehrerin Kirsti Ludwig zu großem Dank verpflichtet, da sie mir einen Weg gezeigt hat, der für uns beide passt und mir später auch „Horse Speak“ nahegebracht hat, was mir nochmal einen ganz anderen Zugang eröffnete.
Abgesehen von Veras Qualitäten als Reitpferd verbindet mich mit ihr eine Art Liebe, die vielleicht aus Mitgefühl rührt, und ich kann sagen, dass es wahrscheinlich kein Lebewesen gibt, dem ich mehr Geduld gegenüber aufgebracht habe …

Liebe auf den ersten Ritt
Pandra ist inzwischen 30 Jahre alt und seit 20 Jahren fester Bestandteil meines/unseres Lebens. Noch bevor sie geboren wurden, sind die Kinder auf ihr geritten. Seit ihrem Sturz letztes Jahr ist sie offiziell in Rente, das heißt sie darf fast täglich spazieren gehen, wird aber nur noch ganz sporadisch und wenn dann nur wenige Minuten geritten. Sie war ein absolutes Traumpferd zum Reiten, temperamentvoll, fleißig, klug, sie wusste schon immer vor mir, wenn es einen Gang schneller gehen sollte, mit dem schönsten Tölt ever in jeder Geschwindigkeit … Allerdings war es nicht Liebe auf den ersten Blick, ganz im Gegenteil:, als ich das kleine magere Pony zum ersten Mal am Putzplatz rumzappeln sah, war ich enttäuscht, ich gebe es zu, und dachte im Stillen: die kaufe ich auf keinen Fall, aber wenn ich jetzt schon mal hier bin, werde ich sie wenigstens kurz probereiten. Was soll ich sagen – kaum saß ich im Sattel fühlte ich mich trotz ihres niedrigen Stockmaßes groß und als sie lostöltete im siebten Himmel. Ich spürte ihren großartigen Spirit, ihre Klugheit, ihre Einsatzbereit und dass ich mich immer würde auf sie verlassen können. Trotz ihres überschäumenden Temperaments fühlte ich mich sicher aufgehoben. Kurz: nach zwei Minuten war mir klar: diese muss es sein.
Ich hatte eine wunderschöne Zeit mit ihr, sie schenkte mir Glück pur und passte später gut auf meine Kinder auf, als diese auf ihr reiten lernten. Erst in den letzten Jahren ließ ihr Temperament nach, wobei es immer noch Tage gibt, an denen sie sich jung fühlt und anfühlt. Als sie immer häufiger beim Reiten stolperte, zuletzt mitten im Galopp mit meiner Tochter auf der Ovalbahn, wurde klar, dass es Zeit war, sie in Rente zu schicken. Es tut ihr gut, dass fast täglich jemand nach ihr sieht und mit ihr spazieren geht, sie sieht gut aus und ist in Form. Manchmal werde ich wehmütig, wenn ich an früher denke, denn so erhebende Momente wie mit ihr, wenn mir beim Renntölt der Fahrtwind die Tränen in die Augen trieb, hatte ich mit keinem anderen Pferd. Aber hauptsächlich bin ihr dankbar für alles und hoffe, ich bin ihr eine gute Besitzerin gewesen in all den Jahren.
Quality Time
Zeit mit den Pferden zu verbringen ist für mich Entspannung pur, DER Ausgleich zu meinem Vollzeit-Bürojob und meinen Aufgaben als Mama. Auch wenn es stressig ist, alles unter einen Hut zu bringen, der Tag hat ja nur 24 h und im Winter gefühlt drei weniger, sobald ich draußen bin und in die Weite sehen kann und mir der Wind um den Kopf bläst, bin ich irgendwie im Urlaub. Ich liebe es, die Jahreszeiten hautnah zu spüren, das Schauspiel des Himmels zu sehen, die Stille im Wald zu genießen.





Wegekreuze


Im Wald
Die Sonne schickt ihre Strahlen zwischen den Bäumen hindurch und erzeugt fast schon mystische Stimmungen. Ein idealer Ort zum Meditieren, wenn da nicht dieses ungeduldige Pferd wäre, das nur Rennen im Kopf hat und dabei über jede Wurzel stolpert.


Der Weg nach draußen und zurück in die Stadt
birgt auch immer wieder schöne Anblicke von romantisch bis dramatisch.



und beim Warten auf die S-Bahn als einziger Fahrgast weit und breit kommt sowas wie Verlorenheit auf …


