Bewegung

Eisland im Sommer

Insel aus Feuer und Eis – das Klischee stimmt. Und aus Wasser, möchte ich hinzufügen. Denn neben einem spuckenden Vulkan und Gletschern gab es auch viel Wasser zu sehen: Wasserfälle und Flüsse allerorten, naturgemäß Meer ringsum und darin Wale, ja Wale!! und auch einiges Wasser von oben.

Seit Beginn meiner Leidenschaft für Islandpferde, und die währt bestimmt schon 25 Jahre lang, habe ich davon geträumt, ihre Heimat kennen zu lernen. Aber zum einen zog es mich doch meist in wärmere Gefilde und zum anderen war ich nicht bereit, so viel Geld für Urlaub auszugeben. Entweder Island oder ein Islandpferd, oder so ähnlich. Und in der Tat könnte man für einen zweiwöchigen Urlaub auf Island, zumal mit Familie, auch ein süßes kleines Isi kaufen. Diesen Sommer jedoch war es soweit: Sonne und Wärme hatten wir schon genug genossen, da waren Temperaturen zwischen acht und 15 Grad im August zu verschmerzen und übers Geld wollte ich nicht weiter nachdenken.

Reiten auf Islandpferden in Island

Die Krönung war natürlich Reiten auf Isis in ihrer Heimat. Zwar fühlte es sich ein bisschen so an wie Fremdgehen und insgeheim hatte ich die Befürchtung, mich Hals über Kopf in ein Pony dort zu verlieben. Um es gleich zu sagen: die drei Stuten, die ich geritten bin, waren toll, aber das tat der Liebe zu meinen eigenen keinen Abbruch.

Als langjährige Reiterin von Isis sah ich dem Reiten gelassen entgegen, wurde aber dann ganz unerwartet aus meiner Komfortzone gerissen: Über Stock und Stein in einem Affenzahn – die Ritte waren durchaus aufregend und ich war jedes Mal froh, dass nichts passiert war. Ein Stück weit lernte ich darauf zu vertrauen, dass die Pferde wissen, wohin sie ihre Hufe setzen, und nicht gleich stürzen, sollten sie doch mal stolpern. Woran ich mich in den zwei Tagen, die wir so unterwegs waren, nicht gewöhnen konnte, war das Reiten mit einer frei laufenden Herde. Gefühlt hatten wir, die vorne ritten, sie die ganze Zeit im Genick und konnten uns keinen Moment lang entspannen. Dann büxten die 35 Pferde auch mal aus und die gerittenen 15 wollten natürlich hinterher. Das waren grenzwertige Situationen, in denen gute Kommunikation seitens der beiden Führer (Vater und Tochter) hilfreich gewesen wäre. Aber am Ende haben wir es alle gut überstanden.

Großartig war das Essen auf der Farm, damit hatte ich ebenfalls nicht gerechnet. Schließlich bin ich ja eigentlich Vegetarierin, esse gar keinen Fisch esse und nicht wirklich gerne Lamm. Somit war ich auf Fasten eingestellt. Was soll ich sagen? Ich habe Fisch gegessen, und zwar in sechs Tagen mehr als in meinem ganzen Leben und ich konnte dem flambierten Kabeljau tatsächlich etwas abgewinnen, ebenso wie dem Lammbraten.

Wasser in festem Zustand

Zum Glück war ich vor einigen Monaten in der Foto-Ausstellung von Axel Ragnarsson „The world is melting“, sonst wäre ich womöglich nicht auf die Idee gekommen, zur Gletschlerlagune Jökulsárlón zu fahren im Rahmen einer zweitätigen Tour in Südisland.

Bei Bilderbuchwetter konnten wir den in den See kalbenden Gletscher mit dem unaussprechlichen Namen Breiðamerkurjökull bestaunen und die Eisblöcke auf dem kurzen Weg ins Meer. Hier hätte ich gerne länger verweilt und mir das Schauspiel noch zu anderen Tageszeiten und Wetterlagen angesehen.

Eine weitere Station auf der Tour war die Eishöhle Katla, die wir durch eine abenteuerliche Fahrt mit einem Jeep erreichten und deren Eingang aussah wie das Tor zur Hölle.

Katla, da musste ich natürlich an den Drachen aus Astrid Lindgrens „Die Brüder Löwenherz“ denken, auch weil ich mir die Landschaft ähnlich vorstellte, vielleicht wegen den Schwarzweiß-Zeichnungen im Buch.

Im Innern der Höhle war es dann eher wie im Palast der Schneekönigin, um im literarischen Bild zu bleiben. Die Höhle leuchtete förmlich und ich konnte mich gar nicht satt sehen an den Kunstwerken der Natur.

Wasser flüssig

Hier herrscht wahrlich keine Wasserknappheit, zahllose Flüsse bzw. Flussarme durchziehen die Insel und immer wieder ergießen sich die Fluten in Fällen nach unten.

Reykjavik

Die Hauptstadt ist besser als ihr Ruf. Ja, sie ist sehr klein, voller Touristen und Souvenirshops, hat kaum Sehenswürdigkeiten, und eigentlich reicht eine halbe Stunde, um sie zu sehen. Ich mochte das maritime Flair, die bunten Häuschen, das entspannte Schwimmbad im Zentrum und die Harpa, die „Elbphilharmonie“ des Nordens. Und auch den Thailänder, bei dem ich jeden Tag aß.

Psychedelische Videoinstallation

Ideal für einen Regentag: die Ausstellung „Circuleight“ in der Harpa. Ihr Titel beschreibt sie sehr gut: „immersive Installation inspired by Icelandic nature, begleitet von Musik des isländischen Komponisten Högni Egilsson. Anrührende Videos, mit denen das Publikum durch Bewegung interagieren kann, wie mir aber erst im zweiten Durchlauf auffiel. Typisch für mich: ich rechne erstmal nicht damit, dass ich den Gang der Dinge beeinflussen kann, bin zunächst passive Beobachterin.

Sea life

Ich hatte eine Walbeobachtungstour gebucht, wie sich herausstellte zur rechten Zeit am rechten Ort. Das Wetter war ideal, die graue Suppe riss bald auf und wir sahen wirklich eine Menge Wale, vor allem Zwergwale, aber dann auch einen Buckelwal und den aus nächster Nähe. Ich hatte die Kamera griffbereit, aber als er oder sie dann tatsächlich auf „meiner“ Seite des Bootes auftauchte, war ich so erschrocken und von dem Geräusch des ausatmenden Tiers wie vom Donner gerührt, dass ich ans Filmen nicht dachte. Dieser Atem ging mir durch und durch und rührte mich zu Tränen. Auch sehr schön waren die quirligen Delfine, auf die wir stießen und die lustig hoch aus dem Wasser sprangen.

Buckelwal

Feuer

Ein paar Tage nach meiner Ankunft hatte meine Schwägerin geschrieben, ob wir von den Erdbeben was mitbekommen hätten. Tatsächlich hatten in der Nähe von Reykjavik Erdbeben bis zu einer Stärke von 5,4 stattgefunden, von denen aber auf der Farm im Norden nichts zu spüren war. Immerhin verzichteten wir aufgrund der seismischen Aktivität darauf, eine große Höhle von innen zu besichtigen. Ich war darüber nicht sonderlich traurig, ich fühlte mich schon von der Vorstellung, durch einen langen Höhlengang zu KRIECHEN, überfordert. Jedenfalls informierte ich mich täglich über die Lage und begann, mir Sorgen zu machen, als es hieß, es würde ein Vulkanausbruch befürchtet. Und dann brach tatsächlich der Fagradalsfjall aus, nur etwa 30 Kilometer vom Flughafen Keflavik entfernt. Natürlich dachte ich gleich an den Eyjafjallajökull, der 2010 wochenlang den Flugverkehr in Europa lahm gelegt hatte, und war eher beunruhigt als erfreut. Aber dieser hier schleuderte zum Glück keine Aschewolken in die Atmosphäre und so entschloss ich mich spontan, eine Exkursion dahin zu buchen. Wann hat man schon Gelegenheit, einen Vulkanausbruch live zu erleben?

Die Tour hatte es wahrhaft in sich. Wir starteten um 18 Uhr in Reykjavik, wurden scheinbar von mehreren kleinen Bussen zu einem großem auf einer Tankstelle vor der Stadt gekarrt und mit diesem ins Vulkangebiet. Der Blick auf den Vulkan wollte hart erarbeitet werden. Inmitten einer Horde fremder Menschen stürmten wir unseren drei spanischen (!) Guides hinterher, die in mörderischer Geschwindigkeit durch unwegsames Fußbrecher-Gelände zum Vulkan rannten, eineinhalb Stunden lang. Ich fühlte mich wie ein Islandpferd, das nur eins im Kopf hatte: Bloß den Anschluss an die Herde nicht verlieren und sich dabei nicht den Fuß brechen! Das Wetter wurde schlechter und nach einer Stunde Dauerlauf bergauf fragte ich mich, ob das Ganze nicht eine saublöde Idee gewesen war. Von einem Vulkan immer noch weit und breit nichts zu sehen.

Aber dann war er plötzlich da, alle gaben noch mehr Gas um das Spektakel auf der anderen Seite des Hügels zu sehen. Es war warm wie an einem Lagerfeuer und die Erde spie fauchend Feuer und Gestein. Fremde Menschen stammelten sich zu: It’s so amazing, it is incredible, it is so beautiful, it is so impressive, I can’t believe it, how lucky we are to see that. Genau so war es.

Nach etwa einer Stunde des Schauens und Staunens und Schießens von ungefähr 100 Fotos und 20 Videos brachen wir wieder auf. Schnell senkte sich die Nacht herab und nur dank der Stirnlampen konnten wir die Steine im Weg erkennen.

Wieder rannten gefühlt alle, ich zumindest. Nun wollte ich erst recht nicht abgehängt werden, obwohl ich bald niemanden mehr in meiner Umgebung kannte. Ich fühlte mich einsam inmitten der Massen. Es war ganz eigenartig, so mitten in der Nacht mit den ganzen anderen Unbekannten zu rasen, aus meinem Körper alles rauszuholen. Endlich auf dem Parkplatz war unser Bus nicht da, auch kein Guide, aber immerhin ein paar Gesichter, die ich schon mal gesehen hatte. Ich war plötzlich sauer auf die Organisatoren, sie hatten uns im Grunde uns selbst überlassen und ich bin nicht sicher, ob nicht mehrere verloren gingen. Da ich unter den ersten war, konnte ich in den ersten kleinen Bus nach Reykjavik einsteigen und bekam somit nicht mit, was mit den anderen passierte. Nachts um drei war ich endlich in meinem „Guest House“, übermüdet und doch aufgedreht. Dank der Pride, die an diesem Wochenende stattfand, war auch die Party im Club unter dem Guest House noch ein Weilchen im Gange und trug seinen Teil dazu bei, dass ich die dritte fast schlaflose Nacht in Reykjavik genoss.

The boys are back in town

Einem Cafe am Flughafen verdanke ich es, dass diese Reise zu einer absolut runden Sache wurde. Vor dem Urlaub zu Hause hatte ich beim Warten auf meine Freundin, die mich zum Flughafen bringen wollte, eine alte Platte aufgelegt: Lizzy Killers von Thin Lizzy, zuletzt „The boys are back in town“, einer meiner liebsten Songs. Und was höre ich beim Stöbern nach Souvenirs am Flughafen, erst von fern, aber doch unverkennbar: ebendieses Lied. Zum ersten Mal in meinem Leben in der Öffentlichkeit, damit hat Island mir auf Wiedersehen gewünscht (-: Danke für alles!

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