Drive my car – nach einer Kurzgeschichte von Murakami
Als eingefleischter Murakami-Fan kann ich mir diesen Film nicht entgehen lassen, obwohl mich die Vorstellung von ziemlich genau drei Stunden für eine bzw. zwei Kurzgeschichten etwas schreckt. Es sind ja auch keine normalen Zeiten, Kino mit Maske, nicht so leicht, einen guten Platz zu bekommen. Ich hab es nicht bereut …
Erster Teil des Films: ein schönes, vertrautes und sich liebendes Paar mit einer geschmackvollen Wohnung, beruflich etabliert mit Traum-Jobs beim Theater beziehungsweise Film. Und doch sind sie nicht glücklich, eine Decke aus Melancholie liegt über den beiden, sie haben vor Jahren ihre kleine Tochter verloren und gehen auf unterschiedliche Weise mit der Trauer um. Die Frau betrügt ihren Mann und dieser schweigt. Sogar als er sie in der eigenen Wohnung beim Sex mit einem anderen sieht, zieht er sich nur diskret zurück . Ganz gelingt es ihm aber nicht, die Verletzung zu verbergen, das merkt auch die sensible Frau, als er vorgibt, ihre Geschichte, die sie ihm am Vorabend beim Sex erzählt hat, vergessen zu haben, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Denn das ist ein Deal zwischen den beiden, ihr fallen die Geschichten für ihre Drehbücher stets beim Sex ein, danach vergisst sie sie und ist auf sein Gedächtnis angewiesen, um sie aufschreiben zu können. Er will dabei wohl nicht mehr mitspielen, aber eine offene Aussprache scheut er so sehr, dass er extra spät nach der Arbeit nach Hause kommt, als sie ihn gebeten hat, abends zu reden. Nur hat seine Frau in der Zwischenzeit eine Gehirnblutung erlitten, er findet sie tot in der Wohnung vor – und wird sich fortan vorwerfen, sie durch sein Zu-Spät-Kommen getötet zu haben.
Das ist die Ausgangslage für den zweiten Teil des Films, in dem Yusuke zwei Jahre später für zwei Monate nach Hiroshima reist, um dort einen Theater-Workshop zu halten. In seiner jungen Chauffeurin, die er eigentlich gar nicht will, findet er schließlich den Menschen, dem er sich öffnet. Auch sie hat ein Drama durchlebt, auch sie macht sich Vorwürfe. Ich will hier gar nicht die Handlung nacherzählen, die ist ohnehin zweitrangig, es geht um die Stimmung in diesem Film.
Die Hauptpersonen sind versehrt, für immer gezeichnet, ihr Leben wird nie (mehr) unbeschwert sein und doch gibt es Zuversicht. Die transportiert auch die großartige Filmmusik am Ende des Films: auch wenn vielleicht kein Glück mehr möglich ist, haben die Protagonisten wenigstens so etwas wie Zugehörigkeit gefunden.
Zu den Hauptdarstellern gehört auf jeden Fall auch der stilvolle rote Saab von Yusuke, schon fast ein Oldtimer.
Whiskey darf auch nicht fehlen, der Murakami-Kenner vermutet Cutty Sark bei den Szenen in der Bar.
Naturgemäß wird in dem Roadmovie viel gefahren. Vor allem über Brücken, durch Tunnel in einer grauen, regnerischen Landschaft. Diese Strecken wurden mir nie zu lang, auch wenn gar nichts gesprochen wurde.
Anders bei den Szenen des Workshops, hier fehlte es wahrlich nicht an Worten in verschiedenen Sprachen, darunter Gebärdensprache, aber der Teil ist anstrengend, der Zuschauer meint selber am Tisch zu sitzen und in endlosen Stunden immer wieder Onkel Wanja in verteilten Rollen zu lesen. Das Stück läuft auch zunächst in Endlossschleife im Auto. Wer diesen Film gesehen hat, muss es nicht mehr lesen! Das Theater ist der einzige Grund, warum ich mir diesen Film nicht nochmal ansehen würde. Auch wenn es für die Entwicklung der Geschichte und der Personen wichtig ist, war es doch ermüdend.
Ich liebe Road Movies, vor allem wenn sie ungeschönte, echte Landschaften zeigen (wie z.B. auch in Queen & Slim). In „Drive my car“ kam ich dabei voll auf meine Kosten. Neben den verhangenen Bildern aus dem Autofenster und der Musik hat mir die Geschichte in der Geschichte von Teil 1 am besten gefallen, welche die Ehefrau vor und nach dem Sex immer weiterspinnt. Auch wenn sie ihrer Fantasie entspricht, ist es doch eine sehr intime Geschichte, die ihr Innerstes berührt und das teilt sie durch das Erzählen mit ihrem Mann, der ihr Inneres mit berührt jedem Wortsinn.