Tour de force d’Afrique
Zwei Reisewochen mit zahlreichen Flügen, vier verschiedenen Hotels, einpacken, auspacken, umpacken, Geld wechseln, Flugzeiten und Termine im Blick, zwischendurch Essen organisieren bzw. Minibar plündern. Für alle Strapazen entschädigt hat mich der eintägige Zwischenstopp in Paris.
Normalerweise dauern meine Geschäftsreisen maximal drei Tage, bei weit entfernten Zielen. Nun hat es sich einmal so ergeben, dass sich mehrere Termine in benachbarten Ländern direkt aneinander reihten und ich fünf Tage am Stück unterwegs war. Damit konnte ich nicht nur effizient mehrere Dinge abarbeiten, sondern war länger dem Office-Alltag entrissen.
Stippvisite im Kongo
Reisezeit und Aufenthaltsdauer dürften sich in etwa die Waage gehalten haben, was nur dank Nachtflug nicht so spürbar war.
Es war schwülheiß, an die hundert Mücken haben sich über die kurze Hose auf der Hotelterrasse gefreut. Habe ein neues Getränk probiert: Ingwersaft, die kalte Variante kann man trinken, sicher zur innerlichen Desinfektion geeignet, die heiße Version war mir zu scharf, meine Kollegin nahm sich ihrer an. Auch für unsere Unterhaltung war gesorgt: Auf einer Großleinwand wurde ein Champions-League-Spiel zwischen FC Bayern und FC Barcelona übertragen, alle paar Minuten durch kurze Stromausfälle unterbrochen.

Ich bin immer wieder erstaunt über die Preise in diesem bettelarmen Land. Eine Nacht im Hotel: 240 US-Dollar. Ein Mittagessen: nicht unter 60 Dollar und das Restaurant war durchaus gut besucht. Der Graben zwischen Arm und Reich muss riesig sein. Einer unserer Ansprechpartner erzählte, er hätte drei Kinder zur Ausbildung (Schule und Studium) in die USA geschickt. Es ist mir schleierhaft, wie er das stemmt. Er scheint ein Vielfaches von meinem Gehalt zu beziehen. Jedenfalls schickt wohl jeder, der kann, seine Kinder im Ausland auf die Schule, z.B. auch in Marokko oder Südafrika, nur nicht im Kongo selbst.
Was immer so schade ist, dass ich gerade im Kongo nur auf dem Flughafen etwas vom Alltag der „normalen“ Menschen in dieser Stadt mitbekomme. Das Leben spielt sich auf der Straße ab, jeder der irgendetwas zu verkaufen hat, stellt sich einfach einen Plastikstuhl und einen Klapptisch hin.


Bei früheren Besuchen ist mir das nicht aufgefallen, aber vielleicht ist das Militär auch aufgrund der jüngsten bewaffneten Konflikte zwischen der Armee und einer bewaffneten Gruppe in den Grenzgebieten zu Uganda und Ruanda jetzt auch in der Hauptstadt präsenter. Jedenfalls gibt es mitten in der Stadt ein ganzes Viertel mit Militärzelten, in denen Soldaten und ihre Angehörigen leben.








Nach über zwei Stunden Fahrt durch einen trotz Benzinknappheit irren Verkehr, während derer es langsam Nacht wurde, kamen wir endlich am Flughafen an. Auch dort eine lange Prozedur, Schlange stehen für Passkontrolle. Unmittelbar nach dieser erneut Passkontrolle, dann Schlange für die Gepäckkontrolle, dann Schlange stehen zum Boarding, wieder Pass- und Gepäckkontrolle, dann bringt einen der Bus aufs Rollfeld. Die einzige freie Fläche in dieser Stadt, in der es sonst nur so wuselt vor Menschen, Autos, Motorrädern. Schwüle afrikanische Nacht.



Alger – l’étrangère
Meine nächste Reise führte mich zunächst nach Alger, der französische Name der Hauptstadt Algeriens. Einen guten Tag war ich dort, hatte aber tagsüber nur eine Stunde frei, nach meinem Termin beim Kunden, die ich nutzte, mir ein Mittagessen zu besorgen. Gar nicht so einfach, weil „les cafés, Madame, ne sont que pour les hommes ici“, wurde mir gesagt. Immerhin empfahl man mir eine Pizzeria in der Nähe, in die ich gehen könnte. So zog ich bei 30 Grad schwitzend im schwarzen Anzüglein meinen Lufthansa-Koffer durch die staubigen Straßen. Ich fühlte mich beäugt und unwohl, obwohl mich niemand behelligte. Zum ersten Mal bewegte ich mich in der Innenstadt, heruntergekommen, aber schön. Irgendwann möchte ich mal in unauffälligerem Outfit, ohne Gepäck und Zeitdruck durch die Altstadt schlendern.
Das Licht war speziell, so intensiv. Man kann sich gut vorstellen, dass die Sonne im Sommer unbarmherzig ist. Ich musste an Camus‘ „L’étranger“ denken, die Szene, wo der Protagonist den Mord begeht, einfach weil ihn die algerische Sonne so blendet. L’Algérie française – vielleicht hatte es auch mit diesem Licht zu tun, dass die Franzosen partout nicht davon lassen wollten.
An Fotografieren war nicht zu denken, ich hatte gar keine Hand frei. Daher nur ein Bild vom nächtlichen Blick aus meinem Hotelzimmer mit der Altstadt ganz im Hintergrund.

Paris je t’aime
Absolutes Highlight für mich ganz persönlich war mein eintägiger Zwischenstopp in Paris, an dem ich nur einen Halbtagstermin wahrzunehmen hatte und mir ein paar Stunden Zeit nehmen konnte, durch die Stadt zu streifen. In warmes Herbstlicht gekleidet sah sie einfach umwerfend aus. Was diesen Eindruck bestimmt verstärkte, war die Tatsache, dass ich zuvor in einem muslimischen Land gewesen war, in dessen Hauptstadt die ehemals großartige Architektur im Verfall begriffen ist und durch die ich mich zwar freier bewegen konnte als gedacht, aber mich dabei nicht frei fühlte. Dagegen wirkte Paris unheimlich gepflegt und es fühlte sich großartig an, auch nachts alleine rumlaufen zu können, einfach in irgendein Lokal zu gehen, um eine Suppe zu essen. Fremd und allein zwar, aber doch kein Fremdkörper. Nicht drüber nachdenken müssen, ob man die Jacke ausziehen und die nackten Arme zeigen kann, ohne unschicklich zu erscheinen, die Haare wallen lassen, Fremden ins Gesicht lächeln, einfach ich selber sein.
Ich hatte auf Booking ein Hotel im Quartier Latin gebucht, das sich in jeder Hinsicht als Glücksgriff erwies. Benannt nach meiner Lieblingsgöttin Athene, war es geschmackvoll möbliert, besaß ein modernes Bad, ein komfortables Bett, einen großen Safe, Balkon (!), Ausblick auf das schöne Viertel durch zwei Flügelfenster mit so guter Schallisolierung, dass ich trotz belebter Straße ganz ruhig schlafen konnte. Ein Punkt, der immer wichtiger für mich wird: guter Schlaf!
Am Abend nach meiner Ankunft kehrte ich kurz in einem winzigen, sehr authentischen chinesischen Suppenrestaurant um die Ecke ein und aß eine scharfe, leckere Gemüsesuppe.






Am nächsten Tag hatte ich zwei Stunden vor meinem Termin und lief durch den nahe gelegenen Jardin des Plantes. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sich darin ein kleiner Zoo befindet. Im öffentlich zugänglichen Bereich sind vor allem Kängurus zu sehen, ich sah ein paar Känguru-Mamas mit Baby im Beutel. Der botanische Garten ist gar nicht mal so klein und ich sah nur einen kleinen Teil, da ich zur Grande Mosquée de Paris unterwegs war, die ebenfalls in der Nähe lag. Dort schloss ich mich einer Führung für eine Schulklasse an. Ich war beeindruckt, wie interessiert und brav die ca. 12-Jährigen waren und habe mit ihnen ein paar Sachen gelernt (oder wiederholt):
Die fünf Zacken des muslimischen Sterns stehen für die fünf Pflichten der Muslime: öffentliches Glaubensbekenntnis, täglich beten, Ramadan halten, nach Mekka pilgern, Almosen geben.
Die muslimische Zeitrechnung ist der christlichen ca. sechs Jahrhunderte hinterher: wir befinden uns demnach erst im Jahr 1441. Jeder Monat hat 30 Tage, daher verschiebt sich auch der Ramadan von Jahr zu Jahr.
Die Moschee in Paris ist um die 100 Jahre alt und erinnert an die Alhambra in klein: Gärtchen mit Brunnen, Mosaike, aufwendiger Stuck, Holzarbeiten aus Zedernholz (aus Algerien). Handwerker aus dem Maghreb haben die Arbeiten gefertigt.




Für meinen Geschäftstermin ging ich zu Fuß zum Bahnhof Montparnasse, wo wir zu Mittag aßen. Typisches französisches Menü in einem typischen französischen Cafe-Restaurant mit Terrasse, begleitet von einem Glas Rotwein.
Zurück lief ich über Notre Dame und setzte mich am Schluss noch eine halbe Stunde in die Sonne. Ein Geschenk.



Wie gerne wäre ich länger geblieben. Paris, ich komme wieder!
Rabat – Sale
Trotz dieser viel versprechenden Namen konnte von einem billigen Aufenthalt in der Hauptstadt Marokkos keine Rede sein. Knapp 300 Euro pro Nacht im pompösen La Tour Hassan Palace, eine Tafel Schokolade und zwei Wasser aus der Minibar: 13 Euro. Kleines Bier (aus Casablanca) an der Bar: 8 Euro. Es tat sehr nobel, das Hotel, offenbar steigen hier die Diplomaten und wichtige Geschäftsleute (wie ich (-;) ab. Marokko ist derzeit ein umworbener Düngemittellieferant, immerhin sitzt es auf 70% der weltweiten Phosphatvorkommen. Und jetzt, wo Russland und Ukraine als Quelle ausfallen, ist dies ein noch wichtigerer wirtschaftlicher Faktor.





Am letzten Tag blieben mir knappe zwei Stunden, um die Stadt zu erkunden. ich lef durch einen kleinen Park an der Medina vorbei bis ans Meer. Ziemlich trist, das Ufer, Steinhaufen, ein paar Fischer und auch ein paar Zelte. Ein riesiger Kasten direkt am „Strand“ entpuppte sich als Museum. Die auf Plakaten angekündigte Ausstellung „Fotografinnen“ hätte ich gerne gesehen, aber sie öffnete erst um 11. Dafür traf ich einen Exhibitionisten, der mir Sex anbot, schon lustig, schon bei meiner allerersten Marokko-Reise vor ca. 30 Jahren haben wir zwei Exhibitionisten getroffen, scheint immer noch im Trend zu sein.








Zufällig kam ich an der Zentralbank vorbei, was mir übrigens auch im Urlaub immer wieder passiert, dass ich ohne danach zu suchen darauf stoße. Stolzes Gebäude, darin unter anderem ein Museum mit einer Ausstellung der Geschichte des Geldes, insbesondere des Geldes in Marokko, und einiger Kunstwerke. Aus irgendeinem Grund war an diesem Tag der Eintritt gratis, ich nahm die Gelegenheit also gerne wahr.

In der Ausstellung gab es einen Raum, der eigens der Herstellung der aktuellen Währung gewidmet war. Darin wurde deutlich, wie stolz man auf die moderne und gut ausgestattete Staatsdruckerei ist.
Das war der inhaltliche Schlusspunkt, der Rest war nur noch Reisen: mit dem Taxi zum Flughafen, ewig lange Schlange, warten, Umsteigen in Paris, wieder lange warten, in München warten auf den Koffer, warten auf die S-Bahn und dann endlich daheim, Freitag kurz vor Mitternacht.